Künstliche Intelligenz im Requirements Engineering
Künstliche Intelligenz (KI) ist in vielen Unternehmen bereits gelebte Praxis: Chatbots auf Webseiten, telefonbasierte Assistenten und automatisierte Serviceprozesse sind etabliert.
Diese Erfahrungen zeigen, dass KI Routinearbeit beschleunigt und Qualität in der Informationsaufbereitung erhöht.
Über den Kundenservice hinaus entfaltet KI besonderes Potenzial in wissensintensiven Bereichen wie dem Requirements Engineering (RE) – also dort, wo Anforderungen erhoben, strukturiert, priorisiert und für die Umsetzung vorbereitet werden.
Warum KI gerade im Requirements Engineering überzeugt
Der Erfolg von IT-Projekten hängt maßgeblich von der Qualität der Anforderungen ab.
Klassische Vorgehensweisen – Dokumente sichten, Interviews führen, Ergebnisse konsolidieren – sind arbeitsintensiv und anfällig für Unschärfen.
KI wirkt hier als produktiver Hebel:
- Schnelle, präzise Recherche:
Fachliteratur, Normen, regulatorische Vorgaben oder interne Wissensquellen werden in Sekunden analysiert und zusammengefasst. - Spracherkennung & Transkription:
Workshops, Interviews und Reviews werden automatisch erfasst und in strukturierte Notizen überführt. - Textanalyse:
KI erkennt Inkonsistenzen, Redundanzen, Widersprüche oder fehlende Annahmen in Anforderungsdokumenten. - Strukturierung:
Große Informationsmengen werden entlang von Epics, Features und User Stories geordnet.
Gutes Prompting als Schlüsselkompetenz
KI liefert nur dann verwertbare Ergebnisse, wenn die Anfragen (Prompts) klar, kontextreich und zielgerichtet sind.
Für das RE empfehlen sich vier Prinzipien:
- Klarheit des Ziels:
Formuliere, welches Ergebnis benötigt wird (z. B. „Erstelle eine Liste regulatorischer Anforderungen für Zahlungsdienste in Deutschland mit kurzer Begründung“). - Kontext liefern:
Projektziele, Stakeholder, Randbedingungen (z. B. Compliance, Legacy-Systeme) und gewünschte Perspektiven angeben. - Struktur vorgeben:
Ergebnisformat definieren (z. B. Tabelle mit Spalten: ID, Beschreibung, Quelle, Priorität, Akzeptanzkriterien). - Iterativ verfeinern:
Zwischenergebnisse prüfen, Nachfragen stellen, Prompt schärfen. So steigt Qualität Schritt für Schritt.
Beispiel-Prompts für typische RE-Aufgaben
- Domänenüberblick: „Fasse die Top-5 Geschäftsziele von [Domäne] zusammen! Gib je Ziel eine Messgröße und mögliche Risiken an!“
- Anforderungsentwurf: „Wandle die folgenden Stakeholder-Statements in testbare User Stories im INVEST-Sinn um! Ergänze Akzeptanzkriterien im Gherkin-Stil!“
- Qualitätssicherung: „Prüfe diese 20 Anforderungen auf Eindeutigkeit, Testbarkeit, Widersprüche und Vollständigkeit. Liefere Verbesserungsvorschläge je Anforderung!“
- Priorisierungsvorbereitung: „Erstelle eine erste WSJF-Schätzung (Business Value, Time Criticality, Risk Reduction, Job Size) auf Basis der vorliegenden Informationen!“
Ein praxiserprobter KI-gestützter RE-Workflow
- Scoping & Quellenaufnahme:
KI erzeugt aus Projektzielen und vorhandenen Artefakten (Lastenheft, Richtlinien, Verträge) eine erste Themenlandkarte. - Workshop-Vorbereitung:
Agenda, Leitfragen und Hypothesen werden automatisch vorgeschlagen; offene Punkte werden hervorgehoben. - Erhebung & Dokumentation:
Mitschriften aus Interviews/Meetings werden transkribiert, verdichtet und in ein vordefiniertes Template überführt. - Strukturierung & Konsolidierung:
KI ordnet Anforderungen entlang von Epics/Features/User Stories, markiert Abhängigkeiten und Lücken. - Qualitätssicherung:
Automatisierte Checks gegen Kriterien wie Verständlichkeit, Eindeutigkeit, Testbarkeit, Nachverfolgbarkeit (Traceability). - Priorisierung & Roadmap-Skizze:
Vorbewertung (z. B. WSJF) als Diskussionsgrundlage für Produktmanagement und Fachbereiche. - Abnahmefähige Artefakte: Generierung sauberer, versionierbarer Dokumente (z.B. Pflichtenheft-Exporte, Backlog-Listen, Traceability-Matrizen).
Qualitätskriterien für KI-gestützte Anforderungen
Auch mit KI bleiben bewährte Standards maßgeblich.
Wichtige Leitplanken sind:
- INVEST für User Stories:
Independent, Negotiable, Valuable, Estimable, Small, Testable. - Klar definierte Akzeptanzkriterien:
idealerweise in Gherkin-Syntax (Given-When-Then), um Testbarkeit sicherzustellen. - Nachverfolgbarkeit:
Anforderungen sind mit Quellen, Entscheidungen und Tests verknüpft (Traceability). - Priorisierung mit WSJF:
WSJF bedeutet "Weighted Shortest Job First" und ist eine Methode zur Priorisierung von Anforderungen, Features oder Epics.
Sie wird häufig in agilen Projekten eingesetzt.
Man möchte damit möglichst schnell den höchsten Nutzen erzielen, indem man Arbeitspakete mit hohem Geschäftswert und geringem Aufwand bevorzugt. - Versionierung:
Änderungen sind nachvollziehbar, inkl. Begründung und Impact auf Scope, Zeit und Budget.
Grenzen, Risiken und verantwortungsvoller Einsatz
KI ist nur ein Werkzeug, aber kein Entscheider.
Die Verantwortung für Inhalte und Entscheidungen verbleibt beim Projektteam.
Besondere Beachtung verdienen:
- Validierung durch Fachexperten:
KI-Vorschläge sind zu prüfen, zu testen und zu verifizieren. - Datenschutz & Compliance:
Umgang mit vertraulichen Informationen, Modell- und Anbieterwahl, On-Premise/Private-Cloud-Optionen. - Transparenz:
Quellenangaben und Prompt-Historien erhöhen Nachvollziehbarkeit und Audit-Fähigkeit. - Bias & Aktualität:
Ergebnisse auf Verzerrungen und veraltete Annahmen prüfen; bei Bedarf Quellen aktualisieren.
Konkrete Einsatzszenarien in Projekten
- Vorstudien & Business Cases:
KI bündelt Markt- und Regulatorik-Signale, skizziert Nutzenargumente und Risiken. - Migration/Modernisierung:
Anforderungsableitung aus Legacy-Dokumenten und Quellcode-Kommentaren, inkl. Lückenanalyse. - Schnittstellen & Datenflüsse:
Extraktion von Datenobjekten, Feldern, Validierungsregeln und Sequenzen aus Spezifikationen. - Testfallableitung:
Automatisches Generieren erster Testideen aus Akzeptanzkriterien; Konsistenzcheck zwischen Anforderung und Test.
Leistungsangebot
Als IT-Projektleiter, IT-Projektmanager und Requirements Engineer kombiniere ich klassische Methoden mit KI-gestützten Werkzeugen, um Ihre Projekte schneller, robuster und nachvollziehbarer voranzubringen:
- KI-gestützte Anforderungsaufnahme mit klaren Prompt-Guidelines und prüfbaren Ergebnissen.
- Qualitätssicherung von Anforderungen nach INVEST, inkl. Gap-Analysen und Konsistenzprüfungen.
- Backlog-Aufbau & Priorisierung (z. B. WSJF) als Grundlage für eine realistische Roadmap.
- Dokumentation & Traceability – revisionssicher, auditfähig und versionskontrolliert.
- Enablement Ihres Teams zu Prompting-Best-Practices und sicherem KI-Einsatz.
Fazit
KI beschleunigt Recherchen, sorgt für Struktur in komplexen Informationsmengen und hebt die Qualität von Anforderungen – vorausgesetzt, Prompting und Validierung sind professionell aufgesetzt.
Im Zusammenspiel aus menschlicher Expertise und KI-Unterstützung entstehen bessere Entscheidungen, klarere Backlogs und stabilere Projektpläne.
Gern unterstütze ich Sie dabei, dieses Potenzial in Ihren Vorhaben pragmatisch und sicher zu heben.